Zwielichtige Liebe: der Werbeäquivalenzwert


Der Werbeäquivalenzwert - der verbotene Apfel der Kommunikation oder ein ewig untoter Geselle, den wir nicht mehr los werden?
Es gibt ihn immer noch und er wird immer noch auf die wildesten Arten berechnet - Barcelona Principles hin und her. Ein Vergleich der Berechnungen zwischen zwei angesehenen deutschen Medienbeobachter ergab eklatante Unterschiede. Ursachen waren unter anderem die zugrunde liegenden Werbepreise: Pauschale Mo-Fr-Preise gegenüber Sa-Preisen, s/w- kontra Farbpreisen, Satzspiegel versus Gesamtseite als 100%..... dazu kommen unterschiedliche Basen wie Unique Users, Visits, Page Impressions. Die Varianten der Berechnung sind schier unbegrenzt und ... völlig willkürlich. Die Gewichtung mit imaginären Faktoren weckt bei PR-Erfolg-Suchenden die pure Lust auf mehr. Fernab von jeglicher Accountability.
Traurig aber wahr. Wir werden ihn wohl so schnell nicht los, den Werbeäquivalenzwert.
Die Fachgemeinschaft von evaluierenden Experten stimmte anno 2010 für die Barcelona Principles ab und verpflichtete sich damit, den Werbeäquivalenzwert nicht mehr als Kennzahl für den Wert der PR zu vertreiben. Die Abstimmung  lief etwas widerwillig, aber trotzdem mehrheitlich. Sicher dämmerte es den anwesenden Dienstleistern schon damals, dass sie sich nicht so schnell den Forderungen nach diesem ach so schönen, praktischen Geldwert verweigern könnten - es sind schließlich die Kunden, die ihn verlangen.
Bleibt festzustellen, dass wir anscheinend nicht von ihm loskommen - zumindest nicht so schnell. In Zeiten, in denen die öffentliche Kommunikation immer weniger von werbetreibenden Medien bestimmt wird, sondern zunehmend von nicht (direkt) käuflichen Meinungsführern, muss sich die Fraktion der Werbeäquivalenzwert-Berechner allerdings eh bald etwas Neues ausdenken. Hier ein paar Vorschläge:

  • Der Tausendkontaktpreis: Was hat die PR gekostet (Material, Zeit, Man Power) geteilt durch die potenziell erreichte Öffentlichkeit (z. B. ivw-geprüfte Reichweiten) multipliziert mit 1000.
  • Drehen den Spieß um: nehmen Sie den durchschnittlichen Tausendkontaktpreis, den die Werbeabteilung kalkuliert, und berechnen, wie viel mehr Kontakte Sie durch PR erreichen konnten.
  • Preis der Platzierung einer Botschaft: Gesamtbudget geteilt durch Summe der erfassten, übernommenen Botschaften.
  • Opportunitätskostenansatz (für PR-Abteilungen): Was hätte diese Leistung gekostet, wenn man sie bei einer Agentur eingekauft hätte? Zeigen Sie Ihrem Chef, wie viel Kosten Sie gespart haben.
  • Überlegen Sie sich, wie Ihre Arbeit dem Unternehmen beim erfolgreichen Wirtschaften nützt. Das kann sein: Sie erhöhen die interne Effizienz durch neue Organisationsstrukturen. Sie verringern Fehlerraten durch standardisierte Prozesse und Qualitätsmanagement. 
  • Sie schaffen Beziehungen zu potenziellen Gegnern (z. B. Nachbarn, Aktivisten), um Krisen zu vermeiden. Wenn es geht, zeigen Sie Negativbeispiele von Mitbewerbern auf: welche Auswirkungen hatte ein Rückruf, ein Unfall? Ein kontinuierliches Issues Monitoring und Management hilft dabei. 
  • Der beste Vergleich ist der mit Wettbewerbern. Suchen Sie sich einen "Kopf-an-Kopf"-Benchmarkingpartner, einen "Klassenbesten" als Orientierung und einen Mitbewerber, der mindestens eine "Klasse" unter ihnen agiert. Zwischen diesen dreien positionieren Sie sich und setzen Zielwerte. Beoabchten Sie dabei nicht nur die Medienresonanz. Sie können sich auch in anderen Bereichen benchmarken: Sei es im Bereich personelle Ausstattung, Publikationen und Presseaussendungen, Events. Die Resonanz von Wettbewerbern können Sie durch eine Online-Newssuche erfassen.

Und wenn es gar nicht ohne Werbeäquivalenzwert geht, dann legen Sie bitte eine Berechnungsweise fest und bleiben dabei. Sollte ein Dienstleisterwechsel anstehen, geben Sie bitte den Glauben auf, dass Sie diese Werte vergleichen können. Das wird nicht klappen. Am besten machen Sie einen Schnitt und beginnen mit den neuen Werten.
Sie können natürlich Gewichtungsfaktoren (Platzierung, Key Medien, Headline-Nennung, etc. ) einarbeiten. Bedenken Sie jedoch dabei, dass - je mehr Gewichtung einfließt - der berechnete Wert immer künstlicher wird. Seine Aussagekraft ist nur im internen Vergleich legitim (eigene Vorzeiträume). Gleichzeitig sollte der Aufwand, diesen künstlichen Eurowert zu berechnen, in einem akzeptablen Maß zum Ertrag (der Rechtfertigung der eigenen Arbeit) stehen. Manches Mal wird Ihnen eine inhaltliche Medienresonanzanalyse besseren Mehrwert liefern als eine komplexe Werbewertberechnung all Ihrer Artikel.

Oder Sie bilden einen richtig fiktiven Eurowert, indem Sie selbst festlegen, welches Mediun oder welche Publikation Ihnen wie viel wert ist. Dann können Sie wenigstens völlig frei bestimmen, welcher Wert herauskommt ;-) Dieser sollte aber zumindest auch in konstanter Weise ermittelt werden.

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